Sophia

Zuerst die Farben:
 
Gelb gekleidete Abende. Sandige Straßen. Stolze Affenbrotbäume. Leuchtende Früchte, die sorgfältig auf fröhlichen Tüchern platziert sind. Das warme Schimmern der dunklen Haut der Menschen. Die tiefgrünen Palmenwedel die sich im Wind wiegen. Der Geruch von roten, feurigem Pili Pili in der Luft. Die zart hellblauen Wellen, die sich unermüdlich der Küste entgegenwerfen. Das goldene Licht der Sonne, wenn sie am Horizont verschwindet.
 
Ihr fragt euch sicherlich, welch eigenartiger Anfang einen Text zu beginnen. Was fehlt? Natürlich - eine Bekanntmachung. Ein Beginn. Wo ist mein gutes Benehmen geblieben? Ich könnte mich ganz förmlich vorstellen, aber das ist gar nicht nötig.
 
Denn hierbei geht es vielmehr um einen Ort, weit weg. Geborgen im Herzen Afrikas. Wisst ihr, wenn ich die Augen schließe, höre ich noch immer den Herzschlag Afrikas. Gleichmäßig und kraftvoll pulsierend.
 
Manche Menschen behaupten, Menschen seien die Musik, die sie hören, die Bücher sie lesen, die Orte, an denen sie waren, die Menschen, die sie getroffen haben. Vermutlich ist das der Grund, warum man an so vielen Flecken der Erde ein Stückchen seines Herzens lässt.
 
Ich möchte euch von ein paar Erinnerungen an jenem Ort in Tansania erzählen.
 
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Yes, She Can:
 
Es wirken mit Julias Traum; Nähmaschinen, tapfere Frauen, Kreiden, ein Stapel Ideen, Rohrzuckerstangen, Papaya-bäume, noch mehr Träume
 
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Ein paar Bilder vom jungen Zentrum:
 
Die Bäume tragen Decken aus grünem Laub. Da ist ein riesengroßer Garten, ungeduldig darauf wartend mit Obstbäumen, Kräuterspiralen und Gemüsegärten bepflanzt zu werden. Majestätische Affenbrotbäume streuen sich um die frisch erbauten Gebäude. Klassenzimmer stehen; können es kaum erwarten, fleißige Schüler zu beherbergen. Die Küche wartet. Der Schlafsaal ebenfalls.
 
Ein wunderschöner Ort! Doch es werden eines Tages die Mädchen sein, die diesen Ort lebendig machen werden.
 
Sie sind bewundernswert; ehrlich! Sie tragen weite, bunte Kleider; und manchmal aufwendige Frisuren und haben muntere Geister.
 
Die helfenden Hände, fertigen prächtige Batiktücher an, stempeln, und knüpfen, flechten und schnüren unermüdlich. Zaubern aus einem Brocken Stoff und einigen tüchtigen Nähmaschinen Taschen, und Kleider und Schürze und noch weiter und weiter…
 
Dann sind da die Köpfe die lachen und herumalbern, die nach vorne blicken und grübeln, die sich verbessern wollen; die sogar meine chaotischen Zeichnungen und Sätzen auf der Tafel begreifen wollen.
 
Darüber hinaus sind sie sehr begeistert neue Dinge zu erfahren. Das Pamoja-Projekt ist nicht nur aus einer reinen Nähschule geformt; sondern bemüht sich auch auf andere Themen aufmerksam zu machen.
 
So wanderten wir eines Tages zum Strand, um aus dem geliebten Meer ein bisschen Müll und Netze zu fischen. Zerknautschte Säcke wurden zu Müllbehälter. Kaputte Fischernetze aus dem Grund des Sandbodens gezogen. Plastikdeckel aus dem Sand gepickt. Ich, provisorische Englischlehrerin mit eher krakeligen Skizzen und manchmal ausgefallenen Ideen, versuchte noch die ein oder andere englische Vokabel mit einzubauen. Ein wildes Bad in den kühlen Wellen gehörte dazu!
 
Doch nicht nur das! Auch außerhalb des Projekts, auf den Wegen nach Dar Es Salaam sammelte ich fleißig Eindrücke und Bilder.
 
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Es wirken mit:
 
bunte Kleider, ein Affe der Bücher stiehlt, die schwüle Luft Dar Es Salaams; viele, viele Menschengesichter
 
Ich platze fast vor Neugier. Jedes Mal dasselbe, wenn es in die Wildnis Richtung Dar Es Salaam geht. Durchgehend wünsche mir mindestens noch fünf weitere Augen, um all das Aufregende aufsaugen zu können. Die Straße ist staubig. Alles was fahren kann fährt. Darunter die klapprigsten Fahrzeuge. An den sandigen Seitenrändern der Straße stapfen Kindern auf dem Weg zur Schule. Menschen jeder Altersklasse handeln um Früchte, Gemüse, Cashewnüsse, Schlappen, Stoffen, Kleider, Gewürzen. Himmelblau Hippiebusse kreuzen den Weg. Mensch an Menschen kleben im Innenraum. Wild wachsende Mangobäume. Kleine Häuschen, eine Hand voll Zimmer, zugedeckt von einem flachen Dach. Frauen die auf offenem Feuer kochen. Junge Typen auf Motos die mit ihrer jugendlichen Raserei, das ein oder andere Gemüt erschrecken. Bunte Märkte.
 
Mir begegnen viele, viele Gesichter. So viele Gesichter. Fröhliche Gesichter. Müde Gesichter. Ich schwanke zwischen Faszination und Bedauern. So viele Menschen, die nicht all die Möglichkeiten auskosten dürfen, wie ich es darf.
 
Ich selbst war von mir selbst, ziemlich der Meinung, recht dankbar für die Dinge zu sein. Schließlich bedankte ich mich jedes Mal eifrig, wenn mir jemand die Tür aufhielt oder etwas Nettes für mich tat. Doch zu begreifen welch ein Privileg es wirklich ist, jeden Tag eine Mahlzeit auf dem Tisch haben zu können, ins Krankenhaus oder zur Schule „einfach so“ gehen zu können, hatte ich noch nie kapiert. Bis da.
 
Warum? Wisst ihr ich frage mich das oft. Warum gilt nicht für alle dasselbe? Warum haben manche Menschen die Möglichkeit Großes aus ihrem Leben zu machen, während andere knapp die Volksschule beenden können? Ich bin verwirrt; kann keine Erklärung oder Sinn finden.
 
Ich schaue den Schulkindern zu, wie sie hintereinander gereiht Richtung in ein vollgestopftes Klassenzimmer marschieren. So viel Potenzial. So viel Traum. So viel Hoffnung. Doch bleiben oft wohl für immer Obstverkäufer auf der Straße. Gefangen in der Kruste ihres Körpers, ihrer Umgebung.
 
Und doch- kann ich nicht aufhören, das Leben der afrikanischen Menschen unglaublich faszinierend und verblüffend zu finden. In heller Aufregung zu sein, wann immer ich etwas Ungewöhnliches sehe. Überrascht von der so fremden und doch so ähnlichen Welt zu sein.
 
Ich trug bei meiner Heimreise so vieles mit mir heim. Die Wörter, die Erinnerungen, die Musik, die Farben, die Gerüche, die Gedanken, den Rhythmus Afrikas.
 
Viel Liebe,
Sophia
 
 
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